13. Februar 2015

Netzgedanken

Diese Woche gabs auf Ö1 eine Sendereihe zur Frage, "Was macht das Netz mit uns?" (den Link zum 7-Tage-Nachhören findest du rechts in der Twitter-Leiste) .

Erstens


Ich weiß, was es mit mir macht. Es zerstreut mich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Konzentration, Motivation, Energie zerstreut es. In tausend flatternde Teile. Da kurz was nachschauen, dort kurz was tippen. Automatisch 10 Tabs offen.
Ich weiß aber auch, was das Netz mit mir macht, wenn es nicht da ist. Der Tag ist konzentriert und motiviert und sehr befriedigend (selbst wenn er faul mit Buch auf der Couch verbracht wird).
Egal wie lang ich in einem Buch (oder Ebookreader) lese, ich fühl mich danach frisch und konzentriert. Egal wie lang ich im Netz verbringe, ich fühl mich danach irgendwie Matsch.

Und SCHWAPP! Gefangen im Netz. Quelle


Was ich nicht verstehe ist, warum das Netz das mit mir macht. Das konnte mir auch die Radioserie nicht wirklich erklären. Und gehts eigentlich allen so, oder nur mir und noch ein paar anderen?
Aber wenn ich mich so umschaue, dann kann eh gefühlt keine Sau mit dem Netz sinnvoll umgehen. Alle hängen sie permanent drin, zu einem nicht kleinen Teil für ihren persönlichen Geschmack zu viel. Klar gibt es auch ein Dorf von unbeugsamen Technik-Noobs wie meine 66jährige Mutter, die tatsächlich nur alle paar Tage mal ein Wörterbuch oder Wikipedia aufruft oder sich das neue Chorlied auf Youtube anhört. Die Frage ist: Was können wir anderen von denen lernen?

Zweitens


Mir ist es schon länger bewusst, dass ich mehr Zeit im Netz verbringe, als ich das möchte (oder es mir gut tut). Mindestens seit 2009, als ich durchaus mit Genugtuung aus Facebook, studiVZ und myspace ausgetreten bin, sowie meinen Account in einem intensiv genutzten Forum gelöscht habe. Sich von Social Media abzumelden ist ja ein sehr effektiver Schritt.
Irgendwann 2011 oder 2012 hab ich intensive Internetferien einlegen können. Dank Leechblock/Stayfocusd waren mir - MUAHAHAHA -  666 Stunden lang (ich weiß ich bin kindisch) nur mein Email-account, eine Wörterbuchseite und das Programm von Ö1 zugänglich. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase hab ich diese Internetferien fürchterlich genossen. Nach Ablauf wusste ich gar nicht so recht, wo ich jetzt eigentlich hinschauen soll.
Kalter Entzug funktioniert bei mir immer wunderbar, besonders hilfreich waren die regelmäßigen kurzen Internetferien in den letzten 9 Monaten. Jedes Sabbatical hat unnütze Netzgewohnheiten durchbrochen und mir meine Prioritäten noch stärker klargemacht.

In den letzten Wochen war meine Lösung ja die, dass mein Modem bei meinem Freund im Regal wohnt. Das ist dann aber auch nicht das Optimalste. Denn so wird die Zeit, die wir miteinander verbringen, zu einem zu großen Teil von mir alleine mit dem endlich-wieder-Internet verbraten. Ich schäme mich, aber so war es eben. Die andere Alternative war, auf die Uni zu gehen. Dort ist es mir aber peinlich, zu viel Zeit oder überhaupt auf zB pinterest zu verbringen. Und Bankgeschäfte etc. will ich über das unsichere Uninetzwerk auch nicht erledigen. Außerdem ist die Luft dort auf der Bib so schlecht, dass mein Kopf immer nur Watte ist und ich eh nix arbeiten oder langmächtig recherchieren könnte.

Manchmal bin ich grantig und würde am Liebsten das Netz überhaupt komplett ausmisten, Internetanschluss abmelden und basta. Aber: Kein Internet ist auch keine Lösung. Auch abgesehen von manchen äußeren Zwängen: Es gibt Dinge, die mich im Netz tatsächlich bereichern oder mir weiterhelfen. Es gibt eine Handvoll Blogs, die ich gerne lese, Radiosendungen zum Nachhören, die ich sonst immer verpasse und sowieso die praktischen Sachen (Emails, Onlinebanking, Rezepte, Fahrpläne). Nur - für diese Dinge brauche ich nicht täglich online sein. Einmal die Woche ein paar Stunden sind für mich genau die richtige Menge.
Leider weiß das meine Sucht noch nicht.( Ist es eine Sucht? Ich bin doch aber so glücklich, wenn ich offline bin.) Derzeit kann ich irgendwie nur entweder - oder. Entweder online, aber dann die ganze Zeit oder offline, aber das dann dafür mindestens tagelang komplett. Mir fehlt beim Netz der Mittelweg. Es muss doch irgendwie gehen, das blöde Netz nur für die Vorteile zu nutzen, und die Nachteile alle dezent fallen zu lassen!

Bis jetzt hat es mir geholfen, browserfreier zu werden und bestimmte Internetinhalte offline oder über geschlossenere "Plattformen" zu nutzen. Konkret, meine Emails über die app am Tablet abrufen, Artikel nur noch über den (echt empfehlenswerten!) Offlinereader Readability lesen, Blogs per Email abonnieren. Die Gefahr des Weitersurfens über den Browser, entweder durch automatisches Taböffnen oder Links, wird vermindert und es fühlt sich auch nicht so wie Surfen an, wie Internetberieselung.
Was ich schon gut abgehakt hab, das sind Internetverpflichtungen. Das ist für mich alles, wo man sich aus irgendeinem Grund irgendwie verpflichtet fühlt, regelmäßig und über längere Zeit hinweg zu lesen oder teilzunehmen. Einen Blog oder Forum zu haben, Admin zu sein, einen Thread betreuen, ja sogar nur zu kommentieren oder lesen. Kann Spaß machen und bereichern, kann aber auch nerven. Für mich waren das früher besonders Foren. Der Blog hier wäre auch fast zur nervigen Verpflichtung geworden, aber zum Glück lernt man ja.
Eine andere Strategie, die ich parallel zu den Internetferien angewendet habe, war das Ersatzprogramm. Warum versinke ich überhaupt in die Internetberieselung, welche Seiten rufe ich auf? Befriedigt mich das tatsächlich, oder würde mich was anderes eigentlich glücklicher machen? Zwangsläufig braucht man natürlich während der Internetferien ein Ersatzprogramm, man will ja nicht auf Ewig die Wohnung putzen. Unterhaltung, Entspannung, Sozialkontakte, Wissen findet man auch hier: Büchereien, Kabarett und Theater, Spieleabende, Freunde treffen, Musik hören, selber Musik machen (statt Youtube, hm?), Vorträge und Kurse besuchen, Radio und Zeitung, sich was von anderen Leuten zeigen oder erklären lassen. Und statt Katzengifs anzuschauen kann man auch Haustiere von Freunden oder Tierheimbewohner intensiv anschmusen. Statt Internetzeitung zu lesen hör ich selber eigentlich lieber die Radionachrichten auf Ö1. Die reichen mir wirklich. Alles kurz und knackig und passieren tut eh immer nur negativer Müll. Das reicht auch 5min. Wenn ich ganz autoaggressiv drauf bin, auch mal das Mittagsjournal. Mein persönliches Ersatzprogramm sind aber vor allem Bücher und Musik.

Und überhaupt.


Alle sind im Netz. Es ist selbstverständlich. Es kann ja auch tolle Sachen. Demokratisches Verbreiten von Wissen zum Beispiel. Aber was, wenn die tollen Sachen nur 10% vom Netz ausmachen? Aber was, wenn es uns zu 90% der Zeit nur im Weg steht?
Warum häng ich dann wieder drin, verdammt, nur weil das blöde Modem wieder da ist?

Ich muss mir auch immer wieder vor Augen halten, was meine Motivation dafür ist, das Internet nur noch sehr eingeschränkt zu nutzen.
Zum einen vermisse ich die Zeit, wo ich 16 war und das Internet ein kostbares Gut, das mit Minutentaktung zeitlich begrenzt war. Krrrchz dongidong und so. Ich hatte damals irgendwie alle für mich relevanten Vorteile des Internets, aber gleichzeitig einfach auch so viel Freizeit und Motivation für Hobbies. Zum anderen passt es gerade gut in meine jetzige Phase der Internetnutzung. Ich habe das Gefühl, die Zeit der großen Entdeckungen ist vorbei. Diese Zeit war für mich 2006-2009:  Kritik an Konsum/ Leistung/ Wachstum/etc., alternative Verhütungsmethoden/ Kosmetik/ Menstruationsprodukte/ Ernährung, Einfaches Leben, Minimalismus, Linux. Es war eine Zeit, wo jeder Besuch im Netz meinen Horizont erweitert hat und meine Synapsen fröhliche Funken sprühen ließ. Jetzt grade... Gelangweiltes Stirnfransen-in-die-Höh-Pusten. Alles schon gesehn, alles schon gehört. So fühlt sich das an, und dabei komm ich nur einfach nicht aus meiner Internetblase raus.
Aber muss ich das? Ich will gar nicht. Ich bin gesättigt. Ich bin ernüchtert. Ist vielleicht gar das gesamte Netz eine Blase?

Und du? Was sind deine Netzgedanken?


PS: Apfelmädchen denkt grad über Datenschutz nach und ob sie all die Onlinedienste überhaupt braucht.

5 Kommentare:

  1. Ich kann das so gut nachvollziehen.
    Mir geht es mit dem Netz sehr ähnlich. Ich bin eigentlich seit ich einen eigenen PC habe (den bekam ich dank Papas Büro schon mit 11) so ziemlich daueronline - und verbringe oft mehrere Stunden täglich auf irgendwelchen Internetseiten surfend.
    Manches davon gefällt mir wirklich sehr, und ich habe schon wahnsinnig viel wertvolles Wissen (Ernährung, Kosmetik, ...) über entsprechende Internetseiten gesammelt. Auch ein paar wenige Unterhaltungsangebote möchte ich nicht missen - und natürlich ist das Internet heute für vieles - für mich - unabdingbar geworden, sei es nur für die Uni...
    Aber die allermeiste Zeit ist es für mich nur nervige Verpflichtung. Soziale Netzwerke, Blogs und Youtube-Kanäle und unzählige Foren, in denen ich aktiv bin/sein "muss", weil dann doch sozialer Druck dahinter steht, wenn andere auf meine Antwort warten...

    Internetferien habe ich eigentlich immer, wenn ich zuhause bei meinen Eltern bin, also meist einen Großteil der Semesterferien. Da ist der Laptop zwar immer dabei, aber durch den ständigen sozialen Kontakt reizt es mich so gar nicht, Zeit damit zu verbringen.
    Und wenn ich durch einen vollgepackten Alltag - mit schönen Dingen, wie Freunde treffen oder Hobbys außerhalb des Internets - doch mal auch einfach so ein paar Tage Pause vom Netz habe, genieße ich das auch wahnsinnig. Ich fühle mich so viel ausgeglichener, zufriedener. Ich bin viel motivierter, schaffe mehr, habe nicht das Gefühl, der Tag hätte zu wenige Stunden. Da frage ich mich immer, wieso ich sonst überhaupt soviel Zeit im Netz verbringe, überlege sogar, mich einfach von allem abzumelden, denn es fehlt mir dann so gar nicht. Internetferien sind die pure Entspannung, weshalb ich auch nicht glaube, dass ich "süchtig" bin - genau wie du.
    Klar - wenn ich das Semester über viel Zeit allein in meiner Wohnung verbringe, ist das Internet vor allem Beschäftigungstherapie. Und über Foren u. ä. fühlt man sich weniger "allein".

    Früher ging es auch ohne - aber heute erwartet halt jeder, dass man ver-netzt ist. Das hat einige Vorteile, aber irgendwie schaffe ich es nicht, die ohne die Nachteile zu nutzen. Entweder ganz oder gar nicht - das geht mir ganz genauso wie dir!
    Wobei natürlich immer noch die Frage bleibt: wieso ist das so? Ich dachte auch immer, es liegt einfach an mir. Aber ich finde es echt interessant, dass ich damit nicht allein bin!

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    1. Uff, da ist jemand übers Wochenende krank im Bett gelegen (und mit ihr halb Österreich).
      Ich habe auch von einer anderen gehört, dass es ihr ähnlich ging und sie daher sogar ihren PC rausgehaut hat und nur noch die paar Nachschausachen kurz mit dem Handy erledigt.
      Denn schau, es geht noch ein paar Leuten so:
      http://www.theatlantic.com/magazine/archive/2008/07/is-google-making-us-stupid/306868/
      Ich werd den Artikel auch oben noch in den Text reineditieren. Genug info zum Thema Internet+Konzentrationsverlust ist das für mich noch nicht, aber schon sehr interessant.

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    2. Ich hab aber irgendwie öfter gehört, dass es dem Befragten nicht so ginge und Internetferien teilweise sogar knapp am blanken Horror vorbeigingen... Mich berihugts daher umso mehr, dass ich wenigstens noch zwei gefunden hab, denen es ganz ähnlich geht

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  2. Ich mag einfach gerade sehr das richtige Leben. Echte begegnungen - face to face. Und ich gebs zu, ich häng gerade furchtbar viel in Instagram und WhatsApp ab. Das fühlt sich sehr nahe an zu face-to-face. auch wenns vl ne Illusion ist...

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  3. Leider zerstreut mich das Netz auch in einer Weise, die meine Produktivität sinken lässt. Je mehr Netz, desto weniger Ergebnisse der Computersitzung. Seltsamerweise nimmt mich das viele Lesen und Schauen auch körperlich mit - Kreislauf im Keller, viereckige Augen. Halte ich die Luft an? Starre ich zuviel? Bei Büchern oder aktiver Computerarbeit passiert das jedenfalls nicht.

    Kein Netz ist auch keine Lösung - wie wahr. Wenn mich ein Thema interessiert, tigere ich mich so richtig da rein, und will alle Inhalte finden die es dazu gibt. Nach kurzer Zeit das "alles schon gesehen" Gefühl - das kann in diesen virtuellen Weiten doch nicht schon alles gewesen sein?!!!

    Online-Verpflichtungen liegen mir nach kurzer Offline-Zeit so richtig fies auf der Leber. Was hab ich versäumt? Wen hab ich vergrämt? Welche Infos verpasst?? Lieber gar nicht erst hinschauen... au ja das kann ich gut. Wenn ich dann doch gucke, war meistens gar nix.

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