28. Dezember 2015

Neuer Kalender, neues Glück?

Das mit dem Bedürfnis nach Neubeginn, das versteh ich. Menschen brauchen Neustarts, in Religionen sind die nicht ohne Grund institutionalisiert.

Aber das mit Silvester?
Ein neues Jahr dann zu feiern, wenn zB Bäume zum Blühen anfangen, ist nachvollziehbar. Aber mitten im Winter? Wenn der einzige Unterschied zum alten Jahr ist, dass am ersten Jänner alles neblig vom Knallersmog ist und die ganzen Raketenhülsen die Gehsteige und Wiesen verdrecken und alle genervt sind, weil ich Silvesterverweigerer am ersten Jänner um 8 in der Früh gutgelaunt herumhopse?

Vielleicht liegts daran, dass mein Weltbild sehr viel fließender ist, abstrakter und intuitiver. Quantifizierbare Ziele mögen in einigen Fällen und für einige Personen sinnvoll sein, sind aber letzendlich auch nur beliebige Punkte auf einer Linie.
Wie will man persönliches Wachstum überhaupt messen? Ich bin doch kein Mehlsack auf einer Waage.
Und schließlich laufen doch alle konkreten und oft quantifizierbaren Ziele eh auf diese abstrakten Sachen wie Gesundheit, Wohlbefinden, Zufriedenheit, Wissen und Können hinaus.
Klar, ich hab Ziele im Leben, manche davon sogar quantifiziert. Aber ich orientiere mich nicht am Datum.

Sind Jahresrückblick und Jahresmotto eigentlich Bloggerkrankheiten? Ich kenn sonst keinen der das macht. Ich versteh den Sinn dahinter. Ich habs die letzten beiden Jahre ausprobiert, weil ich die Idee so für sich gut finde.

Aber das bin nicht ich.

Zahlt sich denn ein Rückblick überhaupt wirklich so aus? Wie viel hab ich davon tatsächlich mitnehmen können? Der heftigste Fail war ja dieser Monsterrückblick 2014, der sich als Minimalismusadventkalender getarnt und fast unseren Blog zum Einsturz gebracht hat. So viel Arbeit, aber neue Gedanken waren für mich nicht dabei - ich bin ein Mensch der eh dauernd reflektiert und deswegen keine extra Gelegenheit dafür braucht.
Bevor die Jahresmottoitis in all den Blogs ausgebrochen ist, hab ich mich auch ohne Mottos, Vorsätze und Rückblicke entfalten und weiterentwickeln können.


Daher, von mir keinen Rückblick, keinen Ausblick, kein Motto. Alles fließt, alles entspannt ;)

5. Dezember 2015

Ode an die Technik von Gestern

Ich liebe Technik von Gestern.


Dabei rede ich nicht von Vorgestern. Ich red nicht von Waschrumpeln und anderem mühseligen Zeug. (Auch wenn es durchaus sehr geniale Low Tech Sachen von vorgestern gibt, die auch heute noch kaum verändert rocken)
Ich rede von Technik, die nicht am allerneuesten Stand der Möglichkeiten ist, nicht fancyfancyblingbling, aber trotzdem solide ihren Dienst tut.

Ich rede von meinem sechseinhalb Jahre alten mp3-Player, der 60 Stunden Akkulaufzeit hat (jetzt vielleicht noch 50) und ein kleines Display, das genau das anzeigt, was es anzeigen soll: Text. Er kann Formate wie .ogg und .flac abspielen, aber auch jene von Apple. Obwohl er theoretisch auch Flash-Videos abspielen kann, ist er kein fancy Mediencenter - man sieht ja auf diesen Videos fast nix.
Was soll ich mit all den heutigen, die müde 15-20h Akkulaufzeit haben, meist nur wenige Formate abspielen können, aber dafür lauter Features draufhaben, die ich alle nicht brauch? Ausnahmen, die ich mir tatsächlich kaufen würde, gibt es kaum, welche die ich mit gutem Gefühl kaufen würde, derzeit keine.

Ich rede von meinem alten E-Bookreader, der noch Tasten hat und nicht mit Wischerei bedient wird. Er tut was er soll: Ich kann damit ebooks lesen und mir Onlineartikel draufschicken um sie offline lesbar zu machen. Er schont meine Augen, er ist mobil. Ich kann die Bedeutung mir unbekannter englischer Wörter abrufen.
Ein Upgrade auf Wischbarkeit ist für mich einfach nicht sinnvoll. Statt klicken wische ich. Statt mit dem curser schnell zu dem Wort zu klicken, das ich doch mal nachschlagen will, tapse ich drauf, nur minimal schneller und ich bin sowieso immer zu faul um irgendwas nachzuschlagen. Es bringt nichts.

Oh und meine Akustikgitarre. Sie ist 30 Jahre alt, gehört glaub ich eigentlich meiner Schwester und ist nur echt mit Quackquack. (Die langsam unkenntlich ausgeblichen sind :( Leute, da oben am Foto sind Enten drauf, ok? Mami-Ente und zwei Baby-Enten.)
Klar war ich mir mit 15 viel zu cool für sowas Spießiges wie Akustikgitarren oder - noch schlimmer: ein Klavier. Aber meine e-Gitarre hab ich seit 10 Jahren nicht mehr angegriffen. Ich hab irgendwann eingesehen, dass ich beim Musikmachen ein Akustikgitarrenmädchen bin und aus mir niemals ein Punkrockbalg oder eine Metalbraut wird. Ich hab auch nie wirklich die ganzen Effekte am Effektgerät genutzt (ein ziemlich fettes Teil) und grade rockige Verzerrungen brauchen eine gewisse Lautstärke, die ich meinen Nachbarn nicht antun kann. Ich spiel auch einfach viel lieber clean. Ich mag keine Powerchords (das sind so abgespeckte Akkorde, die man verwenden muss, wenn man stark verzerrt, weil sonst der Klang völlig übersteuert) und ich zupfe viel lieber hübsche Folk-Muster mit den Fingern.
Eine Akustikgitarre ist mobil, kein Gekabel nervt, man braucht keine Zusatzgeräte (außer einem Capo und einem Stimmgerät, beides sehr platzsparend), sie hat einen schönen Klang und sie ist leichter als die elektrifizierte Version.

Was genau mich an leicht veralteter Technik begeistert?

Als INFJ, Teil eines Menschenschlags der extrem zukunftsfokussiert denkt, irritiert es mich manchmal ein bisschen, wie sehr ich teilweise an altem Zeug hänge. Wie wenig mich oft die aktuelle(re) Version überzeugt.

Aber es sind teilweise pragmatische Gründe: das ältere Zeugs ist meistens besser verarbeitet (weil in unserer Konsumkultur ja schnell was Neues gekauft werden muss, wegen Wirtschaftswachstum, und weil wir immer mehr für immer weniger Geld haben wollen), es ist oft besser durchdacht (weil sich durchgesetzt hat was funktioniert) und - es ist meistens schon da und muss nicht neu gekauft, neu produziert werden.

Und dann sind es ideologische Gründe. Ich sehe die Zukunft weit weniger high tech, als sich die meisten das wohl so ausmalen (hab ja hier schon drüber geschrieben). Wir werden uns im postfossilen Zeitalter oft wieder auf "alten Kram" besinnen müssen. Muskelkraft als Energiequelle, teilweise De-Maschinisierung. Handkurbel statt Elektro beim Kuchenteigmixen? Vielleicht. Wo wir elektrische oder gar fossile Energie verwenden wird wieder stärker durchdacht werden. Es wird auch wichtig werden, dass Geräte und Produkte an Komplexität verlieren, sodass es uns wieder leichter möglich sein wird, selbst zu reparieren. (Oder überhaupt zu reparieren...)

Ich bin mit (kunst)handwerklich geschickten und begeisterten DIY-Eltern aufgewachsen, meine Mutter lebt den Quality-over-Quantity-Gedanken. Auch das hinterlässt natürlich seine Spuren.

Ich hab übrigens schon mal darüber sinniert: Technik-Leapfrogging.
Die Beispiele, wo alles grade etwas aus den Fugen läuft, häufen sich. Letztens hat dieser Artikel seine Kreise durch die Onlinewelt gezogen, wo Apple für schlechtes Design kritisiert wird (also eines, wo die Verwendbarkeit eines Geräts stark leidet). Ist zwar länger, zahlt sich aber echt aus zu lesen!


Was ist deine liebste "veraltete" Technik?

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